Schon lange wollten wir mal wieder eine Tour weit über der Waldgrenze machen. Da die Eltern die Herbstferien zusammen mit uns im Wallis verbringen, hüten sie die kleine Carmen für eine Nacht, sodass wir einen richtig schönen Zweitäger planen können. Ziel ist eine Übernachtung in der Cabane de Moiry (SAC), ganz hinten im Val d' Anniviers. Vor Jahren waren wir schon einmal hier und bewunderten die Gletscherwelt.
Schon als wir oben am Stausee Lac Moiry ankommen, staunen wir ein erstes Mal: der See ist randlos gefüllt (aufgrund der Energiekrise) und sein türkisblaues Wasser leuchtet uns unwirklich entgegen. Was für eine Pracht mit den herbstkargen Berghängen. Wir halten an und versuchen diese "Karibik der Alpen" fotografisch festzuhalten.
Die Wanderung startet dann ganz hinten auf dem Parkplatz, nahe des Lac de Châteaupré auf 2'340m. Von hier steigen wir gemächlich in Richtung Hütte auf. Der Weg führt über die imposante Gletschermoräne und dann im zig zag bis auf 2'826m. Hier, bei der Hütte, tummeln sich tagsüber noch zahlreiche Ausflügler, teils sogar mit Kindern. Der Blick auf den leider auch schon recht klein gewordenen Gletscher ist überwältigend und auch talauswärts ist die Landschaft eine herbstliche Augenweide. Hübsche "Fotografenwolken" verzieren zudem an diesem Tag den Himmel. Wir deponieren unseren Ballast für die Nacht in einem der zwei noch geöffneten Schlafzimmer und beschliessen, noch etwas weiter aufzusteigen um den Gletscher besser bestaunen zu können. Durch die Geröllwüste geht es langsam hoch bis auf 2'900m. Die Wolken werden mal dichter, mal wieder lichter. Die Hochgebirgswelt ist immer imposanter und bald stossen wir auch in den Neuschnee vor. Nun lockt uns noch der Col du Pigne (3'137m), von dem uns unser Bergfreund, Andi Wipf, bereits erzählt hat. Was mag sich wohl dahinter verbergen? Vorbei an einem bereits zugefrorenen Seelein erklimmen wir den Pass. Nun können wir auf den hintersten Talabschnitt von Zinal blicken. Was für ein Tiefblick! Das Weisshorn und seine umliegenden Gipfel hüllen sich leider in Wolken. Die Stimmung und die Stille sind jedoch grandios. Mutterseelenalleine bestaunen wir die Bergwelt lange, bevor wir uns langsam, wieder an den Abstieg machen.
Bei der Hütte angekommen, ist es ruhig geworden. Nur drei zufriedene, französische Bergsteiger wollen auch noch hier oben übernachten. Am Abend bewundern wir über dem Glacier de Moiry eine glühende Abendstimmung und fotografieren die Milchstrasse, bevor wir uns nach einer Verpflegung in der Stille schlafen legen.
Am kommenden Morgen sind wir auch schon wieder in der Dämmerung bereit und geniessen wie der Tag erwacht. Es ist kalt geworden über Nacht. Nach dem Morgenessen nehmen wir bereits schnell einmal den Abstieg in Angriff, denn wir wollen noch das Gletschervorfeld erkunden, bevor wir uns am Mittag beim Parkplatz mit den Eltern und Carmen treffen. Der Abstieg über den gefrorenen Boden geht schnell und schon stehen wir vor den imposanten Eisformationen der sterbenden Gletscherzunge. Auch hier wurde das Toteis bereits vom Muttergletscher abgetrennt. Noch bevor die Sonne hier im Tal aufgeht, finden wir einen eleganten, sehr vergänglichen Eisbogen und viele andere, schöne Details. Dabei sind wir froh, als die Sonne um 11:00 Uhr aufgeht und uns ein Wenig wärmt. Über das Gletschervorfeld mit seinen bunten Farben und entlang des rauschenden Gletscherbachs geht es dann zurück zum abgemachten Treffpunkt.
Carmen rennt voller Freude auf uns zu und wir überreichen ihr die gesammelten, bunten Steine. Mit den Eltern setzen wir uns an das Ufer des Bachs und Carmen beginnt sofort mit den Steinen zu spielen. Was für ein unvergessliches Erlebnis in der erhabenen Bergwelt des Val d' Anniviers. Es hat wieder einmal gutgetan, so hoch hinaus zu gehen!
TOURDATEN
Aufstieg: 797m
Abstieg: 797m
Strecke: 9,0km
Reine Wanderzeit: 3,5h
Tiefster Punkt: 2'340 M.ü.M. (Parkplatz Moiry)
Höchster Punkt: 3'137 M.ü.M. (Col du Pigne)
Schwierigkeit: T4
Swisstopo Karte: 1:25:000, Blatt 1307, Vissoie und 1327 Evolène
Beste Wanderzeit: Juli-Oktober
Unser Tourdatum: 18.&19.10.2022
Besonderes: In der Cabane de Moiry sind ab Ende September nur noch die einfachen Winterräume geöffnet. Das Brennholz war schon Ende Oktober beinahe aufgebraucht. Trinkwasser gibt es in der Nähe keines. Im Sommer kann man vom Col du Pigne steil in Richtung Zinal absteigen. Bei uns hatte es schattseitig bereits viel Schnee.