Dienstag, 27. September 2022

Mit Carmen beim sterbenden Tiefengletscher

Ende August wollen wir wieder einmal unserer Gletscherleidenschaft frönen. Dabei soll es eine Tour sein, welche wir auch problemlos mit der kleinen Carmen (3 Jahre) meistern können. Der Tiefengletscher mit seinem Toteiskegel ist dafür geradezu prädestiniert. Carmen hat gute Laune und wir starten montags mit der Fahrt zum Tiefenbach am Furkapass (UR). Einige hübsche Quellwolken verzieren den Himmel und wir sind gespannt, was uns da oben erwarten würde, ziemlich genau ein Jahr nach dem letzten Besuch. Damals biwakierte Stef ja zusammen mit Andi Wipf im Gletschervorfeld und konnte dabei eine prächtige, verästelte Eishöhle erkunden.

Der Weg führt zuerst durch von Schafen beweidetes Grasland, immer entlang des Tiefenbachs. Eine sehr abwechslungsreiche Tour über verschiedene Schwemmebenen, vorbei an rauschenden Wasserfällen bis ins steinige Gebiet um die auf einer Felsenkanzel gelegene Albert-Heim-Hütte des SAC. Diese lassen wir heute links liegen und wandern direkt weiter in Richtung Gletschervorfeld. Kein Mensch begegnet uns an diesem Tag und Carmen hat hinten im Tragrucksack gute Laune. Wir plaudern alle möglichen Dinge und bauen in Sachen Gletschereis mächtig Spannung auf. Schliesslich ist es ja auch erst die zweite Gletschertour in ihrem Leben und sie kann sich die Eismassen noch gar nicht richtig vorstellen.

Also wir oben im Vorfeld (2'507m) ankommen, zeichnet sich die grosse Veränderung bereits aus weiter Ferne ab. Wir staunen ungläubig. Das Toteis, weit unterhalb des Muttergletschers, ist völlig in sich zusammengefallen und von der einstigen Gletscherhöhle besteht nur noch eine ca. zwei Meter hohe, tropfende Seitenwand. Ein kalter Fallwind zieht uns entgegen, sodass wir Carmen sofort alle Kleider, Mütze und Handschuhe anziehen, welche wir zum Glück dabei haben. Auf dem vorgelagerten See treiben einige schöne, türkisblaue Eisberge.

Ich, Stef, beginne mit meiner Erkundungstour und stelle fest, dass dort, wo wir im Herbst 2021 auf fünf Meter dickem Eis standen, jetzt der sandige, von Wasser getränkte Boden zum Vorschein kommt. Eine Szenerie zum Weinen, aber ausserordentlich eindrücklich! Weiter hinten finde ich diverse grosse Eiskathedralen und Brücken, welche unter der herrschenden Wärme kräftig schwitzen. Nach eingehender Abschätzung der Situation, wage ich mich, einige davon zu betreten und mich dabei sofort unter dickes, stabiles Eis zu begeben. Die am Rand des Eises lagernden Felsbrocken umgehe ich dabei rasch. In den Höhlen selbst schimmert das Eis in prächtigem Türkisblau und entdecke ich alle möglichen, eleganten Formen. Trotz der traurigen Tatsache der beschleunigten Gletscherschmelze, bin ich begeistert von der Schönheit dieses sterbenden Gletschers. Ich fotografiere um die Wette, bevor ich dann die beiden Frauen hole und zusammen mit ihnen auch noch die ganz sichere Eiskathedrale erkunde. Carmen ist echt begeistert! So viel Eis hat sie im Leben noch nie gesehen. Besonders fasziniert ist sie von all den Einschlüssen im Eis und vom tropfenden, laut widerhallenden Wasser.

Nach einiger Zeit machen wir uns auf den Rückweg. Zum Picknicken sind wir vor lauter Gletscherbegeisterung gar nicht gross gekommen. Noch einmal blicken wir zurück in den Talkessel und nehmen davon Kenntnis, dass von hier aus der hoch oben gelegene Muttergletscher für uns schon bald nicht mehr sicht- und erreichbar sein wird. Carmen nimmt den Rückweg nun selbst unter die Schuhe und kraxelt mit Begeisterung über die vielen Felsbrocken am Wegesrand. Wir staunen, wie gut sie von Stein zu Stein balanciert und wie lange die Begeisterung anhält. Wir suchen zusammen rostrote Steine. Langsam beginnt ihr das Bergwandern wirklich Spass zu machen.

Für die letzten Höhenmeter nehmen wir das Meiteli dann noch einmal in den Tragrucksack, bevor wir glücklich über die Erlebnisse wieder beim Tiefenbach ankommen. Auf der Rückfahrt schläft Carmen schon bald ein und träumt dabei wohl vom türkisblauen, vergänglichen Gletschereis.

TOURDATEN
Aufstieg: 400m
Abstieg: 400m
Strecke: 7.0km
Reine Wanderzeit: 2.5h
Start- und Endpunkt: Tiefenbach
Tiefster Punkt: 2'120 M.ü.M. (Parkplatz an der Furkastrasse)
Höchster Punkt: 2'510 M.ü.M. (Gletschervorfeld Tiefengletscher)
Schwierigkeit: T2
Swisstopo Karte: 1:25‘000, Blatt 1231, Urseren
Beste Wanderzeit: Juni-September
Unser Tourdatum: 22.08.2022
Besonderes: Es lohnt sich, noch die wunderschön gelegene Albert-Heim-Hütte des SAC zu besuchen. Diese bietet sich für einen Imbiss oder eine Stärkung an. Wichtig: das Betreten von Gletscherhöhlen birgt immer ein Risiko und muss gut, mit entsprechenden Kenntnissen abgeschätzt werden!
















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